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Pressemitteilung

Debatte um den Wolf in Hessen: Umweltminister Jung verschärft den Konflikt

07. Mai 2024 | Wolf

„Umweltminister Jung verschärft den Konflikt um den Wolf. Künftig sollen offenbar Gefühle und Polemik statt Fakten und Wissenschaft die die Diskussion um den Wolf bestimmen.“

Wolf auf Baumstumpf Im Wald ist der Wolf daheim.  (Foto: Cornelia Arens / KlickFaszination)

Nach dem Stopp bei der Ausweisung der großen Naturwälder zu Naturschutzgebieten setzt Umweltminister Ingmar Jung (CDU) die Demontage des Naturschutzes fort. Jörg Nitsch, Vorsitzender des BUND Hessen: „Umweltminister Jung verschärft den Konflikt um den Wolf. Künftig sollen offenbar Gefühle und Polemik statt Fakten und Wissenschaft die die Diskussion um den Wolf bestimmen. Die nun geplante Verlagerung aller Zuständigkeit von der Naturschutzverwaltung zur Jagd ist ein skandalöser und in Deutschland einmaliger Vorgang.“ Der BUND wirft Minister Jung außerdem vor, dass durch seine Politik auf dem Papier mehr Nutztierrisse entstehen werden, während er zugleich den Abschuss so genannter „schadenstiftender Wölfe“ massiv erschwert. Außerdem fürchtet der BUND, dass die Verschiebung des Wolfszentrums zu HessenForst zu einem massiven Qualitätsverlust beim Monitoring, in der Transparenz und bei der Öffentlichkeitsarbeit führt.

Die Aufnahme des Wolfs ins Landesjagdgesetz wird bekanntlich keine praktische Bedeutung haben, weil gleichzeitig eine ganzjährige Schonzeit angeordnet werden soll. Der eigentliche Skandal ist aber die Änderung der behördlichen Zuständigkeit. In Sachen Wolf wird das Naturschutzrecht künftig von den Jagdbehörden vollzogen. Die Verlagerung des Wolfszentrums aus dem Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie (HLNUG) zu HessenForst war nur die Spitze des Eisbergs. Tatsächlich greifen die Veränderungen der Zuständigkeiten viel tiefer. „Der Minister hat offenbar ein Problem mit dem Naturschutz und verteilt dessen gesetzliche Zuständigkeiten lieber auf andere Behörden“, kritisiert Nitsch weiter. Damit verbunden ist zwangsläufig eine Schwächung des Naturschutzes, denn die neu zuständigen Verwaltungen verfügen nicht über das nötige fachkundige Personal.

Ärgerlich ist für den BUND auch, dass die weitreichenden Änderungen im Landesnaturschutzbeirat am 17.04.24 nicht mitgeteilt wurden und nun scheibchenweise ans Licht kommen. Mitgeteilt wurde im Beirat nur, dass der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen werden soll. Die geplante Verschiebung des Wolfszentrums zu HessenForst wurde dort ebenso verschwiegen wie die nun im Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen enthaltene künftige Zuständigkeit der Oberen Jagdbehörde für den Abschuss so genannter „schadenstiftender Wölfe“ durch die Obere Jagdbehörde.

Auch beim Monitoring, also den Arbeiten zum Vorkommen von Wölfen in Hessen, soll es Verschlechterungen geben. Bisher stützte sich das Wolfszentrum dabei auf speziell fortgebildetes Personal in der Verwaltung und im Ehrenamt. Künftig sollen alle Jagdpächter sich am Monitoring beteiligen. Bisher war entscheidend, dass die amtlichen und ehrenamtlichen Wolfsberater*innen die nötigen Fachkenntnisse für ihre Aufgaben im Monitoring und bei der Aufnahme möglicher Nutztierrisse durch spezielle Fortbildungen erhalten haben, künftig sollen alle Jagdpächter – unabhängig von ihrer Qualifikation – am Monitoring beteiligt werden.

Mit der Verlagerung des Wolfszentrums wird die Transparenz verloren gehen, die derzeit über die Pressearbeit des HLNUG sowie den Internetauftritt des Wolfszentrums auf der Webseite des HLNUG hergestellt wird. Künftig wird es die Pressemitteilung und vor allem den Internetauftritt nicht mehr in der gewohnten Qualität geben. „Wenn das Wolfszentrum das HLNUG verlassen muss, wird die Webseite des Wolfszentrums abgeschaltet. Damit entfällt die bisherige objektive Informationsquelle zum Wolf in Hessen“, beklagt Nitsch weiter.

Auch die als „Beweislastumkehr“ bezeichnete Neuregelung zur Entschädigung der Nutztierhalter*innen bei Übergriffen durch den Wolf wird zu einer Zuspitzung der Diskussion führen. Tatsächlich wird nämlich keine Beweislastumkehr, sondern ein Beweisverzicht eingeführt. Bisher wird die Entschädigung gezahlt, wenn durch eine genetische Probe der Wolf als Verursacher nachgewiesen wurde. Künftig soll aber auf den Nachweis des Wolfs verzichtet und schon bei Verdacht auf den Wolf entschädigt werden. „Wer schon auf Verdacht entschädigt und zusätzlich auf die Feststellung des Wolfs als Täter verzichtet, der produziert letztlich auf dem Papier eine Zunahme der Nutztierrisse“, bemängelt Jörg Nitsch.

Zugleich bedeutet der Verzicht auf die genetische Feststellung des Wolfs als Täter eines Nutztierrisses, dass eine der beiden wichtigsten Voraussetzung zur Anordnung eines Abschusses von „schadenstiftenden Wölfen“ künftig nicht mehr vorliegt: „Der Minister suggeriert also mit seiner Politik, mehr Nutztierrisse und verhindert zugleich rechtssichere Abschussgenehmigungen, wo sie sinnvoll wären“, kritisiert Nitsch. Die Wolfspolitik wird zum Tollhaus, wenn man mit der Aufnahme des Wolfs ins Jagdgesetz mehr Abschüsse signalisiert und dann die bereits bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zum Abschuss so genannter „schadenstiftender Wölfe“ durch eine Zuständigkeitsverlagerung innerhalb der Verwaltung in die organisierte Rechtsunsicherheit führt.

Mit Sorge sieht der BUND, dass der Herdenschutz in der Wolfspolitik von Umweltminister Jung nicht die erforderliche Würdigung findet. Gerade wer den Wolf ins Jagdrecht aufnimmt und gleichzeitig eine ganzjährige Schonzeit einführt, muss sich für mehr Herdenschutz einsetzen, damit die Weidetierhalter*innen sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Unstrittig ist nämlich, dass zumindest Schafe und Ziegen auch nach dem Abschuss einer bestimmten Quote im Rahmen einer Jagdzeit von Wölfen mit Herdenschutzmaßnahmen geschützt werden müssen.

Hintergrundinformationen:

  • In den ersten vier Monaten des Jahres 2024 gab es fast keinen Nutztierriss durch Wölfe. Dies zeigt die Webseite des Wolfszentrums. Lediglich für den 12.02.24 haben zwei Wölfe in der Rhön zwei Schafe gerissen. Es bestand kein Herdenschutz. In 10 Fällen wurde der Wolf als Verursacher des Nutztierverlustes ausgeschlossen. Konsequenz der Beweislastumkehr wäre, dass bei gleicher Sachlage künftig 11 Nutztierrisse behauptet würden. 
    Quelle: https://www.hlnug.de/themen/naturschutz/tiere-und-pflanzen/arten-melden/wolfszentrum/tabelle

 

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Pressestelle BUND Hessen

Lynn Sophie Anders
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